Die Pressemeldung war nüchtern und sachlich. Ihr Inhalt dafür umso brisanter: Die Deutsche Messe AG gab das Ende der CEBIT bekannt, die über Jahrzehnte hinweg den Wandel zur Digitaltechnik befeuert hatte und über viele Jahre hinweg als Leitmesse für die Enabling Technologies für den Wandel galt. knapp 8.000 Firmen belegten in Glanzzeiten 27 Hallen und zogen über 800.0oo Besucher an. Wie konnte ein solches Erfolgsmodell so dramatisch an die Wand gefahren werden?
Die Neuerfindung der CEBIT hat nicht geklappt. Nach einem vergeblichen Versuch der einer Neuausrichtung hat die Deutsche Messe Hannover die Notbremse gezogen und die CEBIT dichtgemacht.
Die seit 33 Jahren in Hannover stattfindende Technologiemesse ist Geschichte. Dabei sollte sie sich nach Vorstellungen ihres Chefs Oliver Freese nach rückläufigen Flächenvermietungen und Besucherzahlen durch einen radikalen Wandel zu einer Technologieshow nach amerikanischem Vorbild entwickeln.
Doch aus dem „Festival für digitale Vordenker“, wie es Christof Kerkmann im Handelsblatt nannte, ist nichts geworden, trotz Einsatz von Drohnen im Formationsflug und einem 60 Meter hohen Riesenrad auf dem Messeglände. Auch der neue Termin Mitte Juni hat die Anziehungskraft der einstigen Leizmesse des digitalen Wandels nicht steigern können.
Auch Atraktionen wie das SAP-Riesenrad konnten die CEBIT nicht retten.
Digitale Technologie mag wohl auch die Freizeitparks erobern, wie es SAP mit dem Riesenrad unterstreichen wollte, dass Interesse von mehr Fachbesuchern konnte sie ebensowenig steigern wie die über 600 Fachvorträge oder die zahlreichen Partyangebote.
Diese hatten die CEBIT traditionell schon immer befeuert. Ebenso wie die einst legendären „After Work Parties“ der Aussteller, die nun offizieller Teil der Veranstaltung werden sollten. Waren sie früher mehr oder weniger aus der Not geboren, weil die Stadt Hannover dahingehend wenig zu bieten hatte, und wenn dann platzten die angesagten Lokalitäten aus allen Nähten. Zudem dauerte es nach Messeschluss abends oftmals ewig, ein Taxi, einen Platz in der Straßenbahn oder gar im Zug zubekommen.Selbst die Infrastruktur von Hotellerie und Gastonomie konnte dem Ansturm der in Glanzzeiten bis zu 8.000 Aussteller und 800.000 Besucher kaum verkraften. Viele mussten privat oder in den umliegenden Orten unterkommen. Was sich heute wie eine Traumsituation darstellt war für die Betroffenen damals eher ein Albtraum.
Open-Air CEBIT Abschlussparty, 15. Juni 2018 mit
Emma Lanford. Der CEBI T Termin 2019 ist abgesagt.
Bis heute ist die CEBIT wohl die bekannteste Marke der Deutschen Messe. Doch ob das Konzept von 2017 und 2018 hätte greifen können, haben die Macher der Messe nicht abwarten wollen. Sie haben die einstige Groß- und Leitmesse der Digitalisierung sang und klanglos begraben. Dabei waren die Reaktionen zunächst gar nicht so schlecht. Man wollte sich nicht nur als ein Business-Treffpunkt präsentieren, sondern ein Festival für digitale Vordenker abfeiern, wo Diskussionsrunden und Vorträge ebenso die Besucher anlocken und begeistern sollten wie Streetfood-Stände oder Open-air-Popkonzerte.
Statt auf Evolution zu setzen waren sich die Messemacher einig, etwas komplett neues kreieren zu müssen. Unter dem Claim „Europas führendes Business-Festival für Innovation und Digitalisierung“ setzten sie jedoch total auf das falsche Pferd und haben nun schlicht das Handtuch geworfen. Was ist falsch gelaufen?
Im Grunde genommen Alles! Hannover ist weder Las Vegas, noch Berlin, noch Barcelona und nicht einmal Köln, wo Technologieshows wie die CES (Las Vegas), der Mobile World Congress (zunächst Cannes, dann Barcelona) oder die IFA (Berlin) sowie die Gamescom (Köln) sich erfolgreich halten oder etablieren konnten.
Die digitale Fun-Gesellschaft trifft sich woanders: Nämlich dort, wo die Investoren gerne sind, nicht ihre Statthalter. Die Feierlaune von Investoren ist begrenzt und findet in exklusiveren Zirkeln statt. Die Vorstände der vom Aktienkurs abhängigen Unternehmen haben es schwer mit „Work-Life-Balance“ und Wohlfühlargumenten hohe Messeausgaben zu vertreten.
Der Abschied: Wehmut über eine vertane Chance.
Effektivität und schnelle Erfolge müssen her ganz nach dem alten Motto: Enteder die Zahlen ändern sich oder die Köpfe. Um das große Rad im harten Konkurrenzkampf um Aufmerksamkeit drehen zu können genügt eben kein noch so großes Reisenrad, wie es SAP zur Freude mancher CEBIT Besucher aufgestellt hat. Die Messe zum Rummelplatz zu machen, erwies sich im Nachhinein schlichtweg als ein gewaltiger Schuss in den Ofen.
Die Chance, die CEBIT (früher CeBIT) zur Enabling Plattform für die digitale Transformation zu machen wurde leichtfertig verspielt, weil der Unterhaltungscharakter in den Vordergrund und der technische Vorsprung, den Teilnehmer sich dort hätten verschaffen können, zu wenig Beachtung fand.
Schade, denn in der Marke CEBIT steckt noch immer das Potenzial für die nächste Welle der Digitalisierung, die alle Bereiche unseres Lebens verändern wird. Welche Technologien sich da als Motor für diese Umwälzung anbieten und wie sie wirtschtlich, politisch und ethisch zu meistern sein könnten, müsste doch für jeden Player in der Branche und jeden Menschen, der sich für gesellschaftliche Entwicklungen interessiert von eminenter Bedeutung und interessanter als jeder Technik-Rummelplatz sein. Ein fataler Fehler, dass die Messeveranstalter glaubten, dass für diejenigen, die für digitale Veränderungen Verantwortung tragen, die Cebit für „uncool“ sei, wie das Handelsblatt den Deutsche Messevorstand Oliver Fresse zitierte.
Ob sogenannte „Fuck-up-Nights“, in denen Gründer von ihrem Scheitern erzählen und rauschende Partys mit Livemusik ein Mittel sind, erfolgreich eine Messe, auf der die Weichen für die nächste industrielle und gesellschaftliche Revolution gestellt werden sollen, zum Erfolg zu führen, ist eher zweifelhaft. Für die Spaßgesellschaft ist diese Zielgruppe wohl nicht zu haben. Mit der intern auch als das „Revolutionskonzept“ bezeichneten Neuausrichtung jedenfalls hat man die Richtung ganz offensichtlich gänzlich falsch gewählt.
Ob auch Marken aus der Konsumgüterbranche wie Red Bull und Jägermeister oder Melitta mit dem aufbau eines Coffee Lands die Messe vorwärts gebracht haben sei ebensfalls dahingestellt. Vor allem aber wollte man den Erfolg nicht mehr allein von den vermieteten Fläche abhängig machen, sondern als Veranstalter beim Publikum punkten.
Erinnerungen an glanzvolle Zeiten als die Politprominenz
sich auf der CEBIT die Türklinke in die Hand gab.
Als 1986 die CeBIT (Abkürzung für Centrum für Büroautomation, Informationstechnologie und Telekommunikation) als Leitmesse für den digitalen Wandel an den Start ging, hat sie sich zunächst rasant zu der wichtigsten Messe für den digitalen Wandel in Industrie und Gesellschaft entwickelt. „018 waren es dann alölerdings nur nmoch rund 120.000 Besucher. Gemessen an den Glanzzeiten war das nicht viel. Doch wäre nicht auch damit noch eine gesunde Messe zu organisieren? Offensichtlich nicht.
Das Konzept als Dreiklang aus Expo, Konferenz und Networking-Event in Festival-Atmosphäre sollte Einblicke in die Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft schaffen. Daran glaubte man offensichtlich auch noch, als sich 2018 zum letzten Mal die Tore zur CEBI schlossen. Da hieß es nämlich noch zum Abschluss des letzten wiederbelebungsversuchs:
„Die Premiere der neuen CEBIT ist gelungen: Mehr als 2 800 beteiligte Unternehmen, mehr als 600 Sprecher auf zehn Bühnen und 370 Startups aus Europa, Afrika und Asien machten Hannover für fünf Tage zum Hotspot der Digitalisierung. Schon bei der „Welcome Night“ am 11. Juni gab Bitkom-Präsident Achim Berg das Tempo vor: „Wir bewegen uns in faszinierenden Zeiten. Das Machbare überholt das Denkbare in riesigen Schritten!“
Doch der Jahrmarkt der Digitalisierung bot wohl zu wenige konkrete Anwendungsbeispiele für KI, IoT & Co.
Der Branchenverband Bitkom hat offensichtlich das schnelle Ende der Messe auch nicht voraussehen oder gar stoppen können. So kommtierte Bitkom-Präsident Achim Berg die Einstellung der CEBIT nüchtern: „Wir bedauern, dass die Cebit 32 Jahre nach ihrer Erstauflage nicht mehr als eigenständige Veranstaltung stattfindet. Messe-Vorstand Oliver Frese und seinem Team danken wir für ihr Engagement und den Versuch, die Cebit zuletzt mit einem mutigen Konzept wieder auf den Wachstumspfad zu führen. Unabhängig von der positiven Resonanz, die das neue Konzept fand, muss es sich natürlich auch für den Veranstalter rechnen. Markt und Messelandschaft haben sich in den vergangenen Jahrzehnten stark gewandelt. Digitale Themen spielen inzwischen in allen Branchen eine entscheidende Rolle. Wir begrüßen, dass die Themen rund um die Industrie 4.0 auf der Hannover-Messe künftig noch stärker aufgegriffen werden. Wir laden die Digitalwirtschaft, ihre Partner und Kunden für 2019 zu zwei innovativen und stark wachsenden Formaten ein. Am 10. und 11. April 2019 führt Bitkom sein internationales hub-Festival mit Artificial Intelligence Summit in der Station Berlin durch. Und vom 19. bis 21. November 2019 findet zum zweiten Mal die Smart Country Convention des Bitkom bei der Messe Berlin statt. Dort werden Lösungen zur Digitalisierung von Städten, Gemeinden und öffentlichen Dienstleistungen präsentiert.“
Somit erwies sich das unverständliche Aus für die CEBIT wohl auch als eine klare Absage der Investoren an die Spaßgesellschaft. Denn Spaß macht den Entscheidern in Wirtschaft und Finanzen nur eine Welt in der auch die Zahlen stimmen. Wer hätte das gedacht.