Die „Auf und Abs“ scheinen die Leica Firmengeschichte unvermeidlich zu begleiten. Augenblicklich sieht sich das Unternehmen erneut in einer tiefgreifenden Umstrukturierungsphase. CEO Matthias Harsch will angesichts einer zweiten digitalen Revolution im Kameramarkt den Konzern erneut umbauen und dabei bis zu 100 Stellen streichen. Gleichzeitig will er 40 neue Mitarbeiter mit digitaler Expertise einstellen. Was ist passiert?
Gezieltes Krisenmanagement gehört leider nicht zu den Stärken der Leica Öffentlichkeitsarbeit. Da sickern zwar ständig Nachrichten über die jüngsten Entwicklungen durch. Da werden Interviews mit einzelnen Medien geführt aber eine offizielle Stellungnahme als Pressemeldung? Fehlanzeige! Anfragen auf die Auswirkungen des Lizenzentzuges für das Android-Betriebssystem durch Google als Folge der von den USA verhängten Sanktionen gegen China werden einfach ignoriert.
Deshalb hier der Versuch, aus den spärlichen Informationen, hauptsächlich aus dem Handelsblatt, der Wetzlarer Neuen Zeitung und dem Giessener Anzeiger ein wenig Klarheit zu schaffen. Schon länger hält sich das Gerücht, das der Leica Investor Blackstone seine rund 45 Prozent Anteile an der Leica Camera AG am liebsten verkaufen würde. Angesichts der Entwicklung in der Kamerabranche erscheint dies nicht besonders aussichtsreich, will man die Verluste begrenzen. Einen zweiten Unruheherd hat eine brasilianische Agentur mit einem offensichtlich nicht autorisierten Werbevideo geschaffen, das ein berühmtes Foto als Leica Bild darstellte, das jedoch mit einer Nikon Kamera aufgenommen wurde. Der daraufhin einsetzende Shitstorm hat ebenfalls am Leica Image gekratzt.
Asien, besonders China war und ist immer noch ein wichtiger Markt für Leica. Die erste Niederlassung in Shanghai gibt es bereits seit 1936. Heute trägt der asiatische Markt rund 30 Prozent zum Umsatz des Konzerns bei. Fünf eigene Leica Stores betreibt Leica in China. Geplant sind deutlich mehr. Irritationen, wie es das Video mit dem „Tank Man“ der sich bei dem Massaker auf dem Platz des himmlischen Friedens, dem Tian’anmen-Platz in Peking einem Panzer entgegenstellte, kommen Leica als Partner des Smartphone-Herstellers Huawei wohl kaum gelegen. Immerhin sind im Topmodell P30 Pro insgesamt vier, mit Leica gemeinsam entwickelte Kameras verbaut, die wohl zu den besten in einem Mobiltelefon verbauten Aufnahmesystemen weltweit gehören. Zudem betreibt Leica gemeinsam mit Huawei ein Forschungslabor für die Entwicklung fortschrittlicher Imaging Technologien.
Zusammen mit der Ankündigung von Entlassungen und der Verlautbarung auf der anderen Seite etwa 40 neue Mitarbeiter für den Ausbau der Digitalkompetenzen einzustellen, wächst in der Öffentlichkeit, speziell aber bei den Leica Kunden, der Wunsch nach einer offiziellen Erläuterung der Frage nach den neuen Zielen der Unternehmensführung.
Am nächsten Donnerstag, dem 27. 06. 2019, wird im neuen Leitzpark, dem Firmensitz der Leica Camera AG in Wetzlar das Ernst Leitz Museum eröffnet. Ein Ort, der Besuchern Fotografie und Fotogeschichte erlebbar machen will. Eine Investition vor allem in die Vergangenheit, die dem Mythos Leica lebendig halten soll.
Matthias Harsch aber geht es angesichts der dramatischen Entwicklungen im Kameramarkt, der in den letzten fünf Jahren nahezu um die Hälfte geschrumpft ist, um Zukunftssicherung. Eine zweistellige Millionensumme will er dafür laut Handelsblatt in die Hand nehmen, um in vorderster Front bei der zweiten digitalen Revolution, die durch Software, Algorithmen und Künstliche Intelligenz befeuert wird, dabei sein zu können.