Bevor er zum Hotel Arena umgestaltet wurde, diente der alte Backsteinkomplex in Amsterdam mit seiner eigenen Kirche als katholisches Waisenhaus für Mädchen. Jetzt bot er die Kulisse für den Wiederbelebungsversuch der photokina vor der geladenen europäischen Fachpresse. Ob die angeschlagene Veranstaltung zu ihrem anstehenden 70. Geburtstag wieder ganz die Alte werden wird, ist nicht nur zu bezweifeln, sondern ganz ehrlich gesagt auch gar nicht wünschenswert. Denn ein Wandel mit tiefgreifenden Veränderungen ist längst überfällig.
„Lost in Transformation“ könnte man die Situation der Fotobranche überschreiben, die es nie geschafft hat, Veränderungen als Chance zu begreifen und sich ihnen stattdessen stets beharrlich entgegengestemmte. Sogar die Fotografie selbst haben die damaligen Bildermacher, sprich Maler und Zeichner, schon zu Beginn ihrer über 175jährigen Geschichte als existenzbedrohend abgelehnt. Weder den Wandel zur Digitalisierung noch das Aufkommen der Smartphones und schon gar nicht das Zusammenwachsen von Fotografie und Film als Steh- und Bewegtbild wurde von einer großen Mehrheit der Branche begeistert aufgenommen und als mögliche zukünftige Geschäftsgrundlage begrüßt. Nicht nur die ersten Trendsignale, nein auch der Boom der Digitalfotografie fand auf der CeBiT und nicht in Köln auf der photokina statt. Der Kompaktkamerakiller, das Smartphone, suchte sich ebenfalls eine eigene, neue Heimat auf globalen Veranstaltungen wie der IFA, der CES und nun zuletzt auf dem Mobile World Congress.

Wie konnte es passieren, dass eine nahezu jeden Lebensbereich tangierende Industrie ihre weltweit geschätzte und viel beachtete Messe zu einer Provinzveranstaltung schrumpfen ließ? Natürlich spiegelt der Schrumpfungsprozess auch die Marktsituation wieder, wie es Oliver Frese, der neue COO der KoelnMesse auf der europäischen Pressekonferenz betonte. Aber wahr ist auch, was Michael Gleich, Chef der größten europäischen Fotokooperation, der United Imaging Group, dazu sagte: Die Kunst intelligenten Managements bestehe nicht darin, dem Markt zu folgen, sondern ihm erfolgreich zu trotzen. Genau das haben die beiden photokina Partner, der Photoindustrie Verband (/PIV) und die KoelnMesse bisher nicht geschafft. Der PIV, im Hinblick auf die Mitgliederzahl, selbst im Schrumpfungsprozess begriffen, und traditionell von den klassischen Fotofirmen beherrscht, hat es nicht geschafft, sich und die photokina für die neu entstandenen Sparten der Imaging-Industrie zu öffnen und die KoelnMesse selbst hat sich hier wohl nicht mit ihren sonst so erfolgreichen Konzepten für neue Ausstellungsformate und eine Öffnung für neue Industrieteilnehmer durchsetzen können.
Hinzu kommt die verzwickte Situation, dass sich der inzwischen zurückgetretene Vorsitzende des PIV statt mit der wichtigsten Einnahmequelle des Verbandes, den Anteilen an den Standmieten der photokina widmete, sondern stattdessen mit großem, finanziellen Aufwand ein neues Markenbild für den Verband in Angriff nahm. Die Pläne zur Erneuerung der photokina entpuppten sich als Schuss in den Ofen. Der neue jährliche Turnus, der die Verlegung des Termins in den Mai statt wie bisher im Herbst direkt vor dem Weihnachtsgeschäft, ließen nicht unbedingt auf viel Fingerspitzengefühl schließen. Gegenwind kam auch von den immer beliebter werdenden lokalen Fotofestivals mit angeschlossenen Fotomessen und umfangreichen Workshop-Programmen, auf die auch die lokalen Niederlassungen der international agierenden Fotoindustrie voll abfahren. Gleichzeitig sprachen einige der mächtigsten Player der Fotobranche der Kölner Veranstaltung ihre globale Bedeutung ab und strichen ihren Vertretungen die gewohnte Unterstützung aus dem Headquarter.

Doch damit nicht genug. Mit der Digitalisierung brach auch die Gelddruckmaschine, sprich das Geschäft mit der chemischen Filmproduktion und der damit verknüpften Dienstleistung der Filmentwicklung der Bilderservices zusammen. Firmen, die früher ganze Hallen der photokina für sich in Anspruch nahmen, verschwanden praktisch ganz von der Bildfläche wie die Global Player Agfa, Kodak, oder Polaroid. Firmen, die maßgeblich auch an der Entwicklung der digitalen Fotografie beteiligt waren, aber sie aus Angst sich selbst Konkurrenz zu machen nicht ausreichend förderten. Canon und Nikon setzten bei ihren ersten Profi-DSLR-Modellen auf die Partnerschaft mit Kodak, Leica kooperierte mit Fujifilm und ist heute noch erfolgreich mit Panasonic verbandelt.
Als echt tragisch erscheint auf dem ersten Blick das Fernbleiben zahlreicher, wichtiger Mitglieder des PIV, dem ideellen Träger der Messe von der photokina. Die zwingt die Veranstalter zum Umdenken und zu einer Neuausrichtung. Wenn Industriemitglieder ihre eigene globale Plattform nicht mehr beschicken können oder wollen, dann läuft etwas grundsätzlich schief und in solchen Situationen tragen oftmals ja beide Partner eine Mitschuld. Was vom PIV verschlafen oder ausgebremst wurde, war eine rechtzeitige Erweiterung und Öffnung für innovative Technologien. Der inzwischen kleine Partner kann sich wohl schon länger nicht mehr auf Augenhöhe mit der KoelnMesse sehen. Umgekehrt hat diese mit ihren ständigen wechseln der Verantwortlichen auch nicht gerade für Kontinuität gesorgt: Drei neue Geschäftsbereichsleiter innerhalb von zwei Jahren für die photokina und die Terminverschiebung für den Wechsel in den jährlichen Turnus signalisieren nicht Zuversicht.
Umso erfrischender präsentierte sich das aktuelle photokina Team bei der Vorstellung ihrer Pläne für den Mai. Der Auftritt in voller Stärke und das geäußerte Engagement lassen auf einen erfolgreichen Neubeginn hoffen. Auch wenn sich mancher im Führungstrio noch nicht ganz zuhause zu fühlen schien. Nun ja, die erste photokina soll ja nicht die Einzige bleiben. So wird man mit der Zeit auch lernen, dass es 35mm und nicht 36mm Film war, der die Analogfotografie revolutionierte oder das der Verband dem man vorsteht nicht der Fotofachverband sondern der Photoindustrie-Verband ist.

Vielleicht schaffen es die drei Macher ja, aus der Not eine Tugend zu machen und die Bedeutung der photokina von der Anzahl neu vorgestellter Kameras zu lösen. Ihre globale Bedeutung in den Vordergrund durch die Information über innovative Trends in der Fototechnik zu rücken. Durch Infotainment und Networking den Besuchern neuartige Erlebnisse oder wie es heute heißt spezielle Experiences zur vermitteln, die ihnen eine Ahnung davon vermitteln wie sich durch Imaging Technologien branchenübergreifend neue Geschäftsfelder auftun können.
Dazu wird mit Sicherheit auch die schon am Vortag der Messe stattfindende Imaging Innovation Conference beitragen, die aus dem beliebten Business Forum Imaging hervorgegangen ist, das es seit vielen Jahren versteht, aktuelle Technologietrends mit neuen Geschäftsmodellen zu verknüpfen. Leider ist die Digility, die neue Sehweisen wie Augmented, Mixed oder Virtual Reality zum Thema hatte, aus dem photokina Pogramm verschwunden. Wenn es um Imaging Unlimited geht, dürften diese neuen Präsentations- und Erlebnisformen keinesfalls fehlen.

Dass es der KoelnMesse ernst ist mit dem Neustart der photokina, zeigt auch das finanzielle Engagement. So will man die Investitionen in die Veranstaltung in gleicher Höhe wie 2018 halten. Soll die Wiederbelebung und Neuausrichtung gelingen, muss klar sein, dass dies kein Sprint sein wird sondern ein Langestreckenlauf. Die Schwierigkeit wird darin bestehen, statt aktueller Produkte, zukunftsweisende Trends, Visionen, Informationen und Erlebnisse zu vermitteln, die Aussteller und Besucher nirgendwo anders finden können.
Trotz nochmaliger Verschiebung des Wechsels auf den jährlichen Turnus steht das Programm für die kommende photokina noch nicht fest. Einen endgültigen Hallenbelegungsplan soll es erst kurz vor der Messe geben. Zum Auftakt zur Messe soll es erstmals seit längerem wieder eine offizielle Eröffnungsveranstaltung mit der Ansprache eines prominenten Branchenmitglieds geben, die das Problem der Branche thematisiert: Transformation.